Lilo Rademacher, Heinz Brechtel und Hans Kirchgässner im Gespräch
Zum Abschluss des Workshops stimmten die Seminarteilnehmer und die beiden anwesen-den IG Metall Bevollmächtigten Lilo Rademacher von der Vwst. Friedrichsha-fen/Oberschwaben und Jo Blaschke von der Vwst. Singen in ihren Einschätzungen überein. Es bestand eine einhellige Meinung, dass es richtig war, dieses Thema aufzugreifen und aus unterschiedlicher Perspektive zu beleuchten.
Eine offensive Betriebsratspolitik, das Nutzen des Wissens und der Erfahrungen von Sachverständigen, die Zusammenarbeit aller Akteure der Interessenvertretungsarbeit im Betrieb, eine überbetriebliche Vernetzung der Betriebsräte und eine ständige Rückkoppelung zur IG Metall sind wichtige Bestandteile, so Lilo Rademacher und Jo Blaschke in ihrem Resümee, um eine zukunftsfähige Interessenvertretungsarbeit zu gestalten und sicherzustellen.
Die Bedeutung des Workshops, sich mit dem Einsatz von Unternehmensberatungen, die sich gerne als neutral und unabhängig bezeichnen, zu beschäftigen, zeigen der expandierende Markt und die steigenden Umsätze für sog. Beratungsdienstleistungen. Allein von 2006 bis 2007 stieg der Umsatz um ca. 11%. Der Markt wird von wenigen namhaften Bera-terfirmen dominiert wird. Die umsatzstärkste Beraterfirma ist McKinsey, deren Umsatz fast doppelt so hoch ist wie der des Branchenzweiten Roland Berger. Gleichzeitig tummeln sich viele mittlere und kleinere Beratungsunternehmen auf dem Markt. Die Aufträge sind von der Aufgabenstellung her vielfältig. Im Vordergrund stehen heute, so scheint es, neue Formen der Rationalisierung, die Optimierung von Arbeitsabläufen und der Organisation sowie die strategische Ausrichtung von Unternehmen.
Während des Workshops wurde immer wieder der Bezug zur konkreten Betriebsratsarbeit und zu den Erfahrungen von Betriebsräten mit Unternehmensberatungen in verschiedenen Gesprächsrunden hergestellt.
So berichtete Kollege Heinz Brechtel, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender bei MTU Friedrichshafen, wie bei ihnen eine große Unternehmensberatungsfirma den Auftrag hatte Rationierungspotenziale zu erkennen. Die erarbeiteten Vorschläge waren größtenteils undurchsichtig, Benchmarkvergleiche nicht nachvollziehbar und auch nicht angebracht, da sie die Besonderheiten der Arbeitsabläufen bei MTU außer Acht ließen. Bereits vor dieser Beratungsphase erarbeiteten MTU-Beschäftigte kontinuierlich Verbesserungsvorschläge, die überwiegend in den Ausarbeitungen der anschließend beauftragten Beraterfirma auftauchten. Der Nutzen der recht teuren Beratung war nach Einschätzung von Heinz Brechtel gering.
Ein anderes Konzept stellte Hans Kirchgässner von der ZF Friedrichshafen dar. Hier wurde gemeinsam von Betriebsrat und Unternehmensleitung Handlungsbedarf bei der Erarbeitung eines neuen Montagekonzeptes erkannt und nach möglichen Beratern gesucht. Das Betriebsratsgremium konnte sich aktiv bei der Auswahl der beratenden Institution einbringen. Es fiel die Wahl auf ein anerkanntes Institut der Fraunhofergesellschaft, das sich durch erfahrene Experten auszeichnet. Eine gemeinsame Betriebsbegehung brachte den Ausschlag für die Entscheidung für diese Einrichtung. Inzwischen liegen mehrere Lösungsvarianten auf dem Tisch, von denen die Mehrzahl auch den Interessen des Betriebsrats und der Beschäftigten bei ZF entgegenkommt. Durch die gemeinsame Vorgehensweise von Betriebsrat und Unternehmensleitung konnte schon im Vorfeld einiges an Konfliktpotenzial verhindert werden. Eine erfolgreiche Umsetzung der Lösungsvorschläge scheint realisierbar zu sein.
Lilo Rademacher und Jo Blaschke machten in ihrem Diskussionsbeitrag ihrerseits deutlich, dass Betriebsräte sich mit der Frage auseinandersetzen, ob sie nicht die Unterstützung externen Sachverstand benötigen und bei
Veränderungsvorhaben des Unternehmens eigene Sachverständige hinzuziehen müssen. Das Betriebsverfassungsgesetz bietet verschiedene Möglichkeiten, interne und externe Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Eine der Möglichkeiten besteht darin, das Wissen und die Erfahrung sachkundiger Arbeitnehmern nach § 80 Abs. 2 Satz 3 BetrVG in Anspruch zu nehmen. Sachkundige Arbeitneh-mer können auch und gerade gewerkschaftliche
Vertrauensleute als sog. Experten der Ar-beitsprozesse, der Arbeitsplätze in ihrem Bereich und des Arbeitsumfeldes sein.
Wie die Einbeziehung sachkundiger Arbeitnehmer gelungen ist und welche guten Ergebnisse damit erzielt wurden, stellte Kollege Martin Nuber von Voith Paper Fiber Systems dar.
Dass die Einbeziehung externen Sachverstands durch den Betriebsrat nach § 80 Abs. 3 und § 111 BetrVG nicht immer konfliktfrei abläuft und folglich zu Schwierigkeiten führt, stand auf der Tagesordnung des Workshops genauso zu Sprache wie die entsprechenden Lösungen. Im Mittelpunkt stand, worauf zu achten ist, wenn ein Betriebsrat Hilfe in Anspruch nehmen will und muss. Martin Schwarz-Kocher, ein erfahrener Sachverständiger für Betriebsräte aus einem arbeitnehmerorientierten Beratungsinstitut, erläuterte auf dem Hintergrund seiner reichhaltigen Erfahrungen, in welchen Situationen externer Sachverstand nötig war bzw. sein kann und wie die anstehenden Probleme bisher gelöst wurden. Nicolai Bonschinski, Be-triebsratsvorsitzender bei der neuen Firma EBZ Sys Tec, schilderte seine Erfahrungen mit diesem Institut, welches in einer Krisensituation dem Betriebsrat zur Seite stand und durch eine fundierte Beratung sehr geholfen hat. Selbst heute noch, so Kollege Bonschinski, denkt er oft an diese Beratung, von der er bei seinen Aufgaben als Betriebsrat immer noch profitiert.
Nicolai Bonschinski betonte auch die Rolle eines juristischen Sachverständigen nach § 80 Abs.3 BetrVG. Hier hat er die Erfahrung gemacht, dass es darauf ankommt, einen juristischen Sachverständigen zu haben, der interessenbezogen seine juristische Kompetenz dem Betriebsrat zur Verfügung stellt. Auch hier muss der juristische Sachverstand eine enge Verbindung zur zuständigen Verwaltungsstelle der IG Metall haben.
"In dieser Richtung hat der Betriebsrat bei EBZ Systec hervorragende Erfahrungen mit RA Manfred Lang aus Ulm gemacht", so Nicolai Bonschinski.
Gemeinsam herausgearbeitet wurden all jene Punkte, auf die ein Betriebsrat zu achten hat, damit eine erfolgreiche Beratung durch Sachverständige des Betriebsrats möglich wird. Dass eine ständige Rückkopplung des
Betriebsrats mit der Verwaltungsstelle und eine enge Zusammenarbeit der Verwaltungsstelle mit Sachverständigen unabdingbar ist, wurde ständig betont.
Breiten Raum auf dem Seminar nahm die Beteiligung des Betriebsrates an Innovations- und Organisationsprozessen im Hinblick auf Beschäftigungssicherung und Beschäftigungsentwicklung. In diesem Zusammenhang kommt dem § 92a
BetrVG eine wichtige Stellung zu.
Wenngleich heute noch viel zu wenig von Betriebsräten genutzt, kommt dem § 92a BetrVG mit dem Vorschlags- und Beratungsrecht des Betriebsrats für die Beschäftigungssicherung und -förderung eine strategische
Bedeutung für eine offensive Interessensvertretung zu.
An Beispielen aus der betrieblichen Praxis wurde dargelegt, wie der § 92a BetrVG mit Leben erfüllt werden kann.
Nach dem Motto "Was nützt Wissen, wenn es nicht angewendet wird", beschäftigten sich die Seminarteilnehmer in Arbeitsgruppen mit den vorhandenen Möglichkeiten in den Betrieben, damit eine Umsetzung der erarbeiteten
Vorschläge zur Beschäftigungssicherung und Beschäftigungsentwicklung vorangetrieben werden kann und wie ein strategisches Vorgehen aussehen muss.
Eine breite Palette von Ideen kam dabei heraus.
Einig waren sich die Kolleginnen und Kollegen, dass die umfassende Information der Beschäftigten und eine transparente Betriebsratsarbeit Grundvoraussetzungen für nachhaltig wirksame und durchsetzungsfähige Vorschläge sind. Auch könnten zur Aktivierung der Beschäftigten und stärken Einbeziehung der gewerkschaftlichen Vertrauensleute zum Beispiel Workshops mit betrieblichen Experten und sachkundigen Arbeitnehmern durchgeführt oder sogenannte "Themenwochen" angeboten werden. Ziel ist dabei die gemeinsame Entwicklung von Ideen und Diskussion von Umsetzungsstrategien.
Dass dieser Workshop nur ein Einstieg und erster Schritt für eine Betriebsratsarbeit sein konnte, die jeden Tag den Spagat zwischen Schutz-, Abwehr und Gestaltungsauftrag zu leisten hat, war einhellige Meinung aller Anwesenden.
Über die Rolle von Sachverständigen und sachkundigen Arbeitnehmern unterhielten sich Michael Kocken, Martin Schwarz-Kocher, Nicolai Bonschinski und Martin Nuber.